Egal welchen Massstabs, ob im ganz persönlichen Umfeld oder sogar weltweit, Krisen können uns ganz schön durchschütteln, uns aus der gewohnten Bahn werfen, ja sogar die Welt auf den Kopf stellen und möglicherweise eine tiefgreifende Adaption von uns verlangen. Krisen sind per Definition schwierig zu überstehen, aber nicht unmöglich. Gerade solche mentalen Stärkungspraktiken wie „Achtsamkeit“ können uns eine echte Stütze sein und unsere Resilienz (Vermögen mit Krisensituationen umzugehen) nachhaltig aufbauen und stärken.
Wie Achtsamkeit unsere Resilienz steigert und uns in Krisenbewältigung aller Art unterstützt
Ursprünglich stammt die Achtsamkeitspraktik aus der buddhistischen Lehre und ist ein wichtiges Element der buddhistischen Meditationspraktik. Mit der Verbreitung buddhistischer Achtsamkeitspraktiken innerhalb westlich geprägter Kulturkreise wurde «Achtsamkeit» (Eng. mindfulness) zunehmend aus dem religiös-spirituellen Kontext herausgelöst praktiziert. Inzwischen wird der positive Effekt von Achtsamkeit und Meditation auf das menschliche Gehirn und Bewusstsein weitgehend von der Psychiatrie und anderen medizinischen Fachdisziplinen sowie Naturwissenschaften (z. B. die Neurowissenschaften) erforscht und anerkannt.
In der Psychotherapie wird Achtsamkeit vermehrt angewendet, mit dem Ziel menschliches Leiden zu verringern. Z. B. wurde die Achtsamkeitstechniken der „Achtsamkeitsbasierten Stressreduktion oder MBSR, die von John Kabat-Zinn (PH. Dr. in Molekularbiologie) entwickelt wurden, erfolgreich eingesetzt bei Patienten mit chronischen Schmerzen. Auch für Patienten mit Depressionen und Angststörungen kann regelmässig praktizierte Achtsamkeit einerseits präventiv wirken, andererseits kann sie helfen, besser mit akuten Phasen umzugehen.
Zu viel Zeit mit Planen, Problemlösen, Tagträumen oder negativen oder zufälligen Gedanken zu verbringen, kann anstrengend sein. Es kann auch dazu führen, dass man eher Stress, Angst und Symptome einer Depression erleben. Achtsamkeitsübungen können helfen, unsere Aufmerksamkeit von dieser Art des Denkens wegzuleiten und sich auf unsere Umgebung einzulassen. Mit Achtsamkeit wird ein besonderer Bewusstseinszustand bezeichnet, in dem wir uns hellwach im Hier und Jetzt befinden. Wir nehmen die Gegenwart ganz ohne jegliche Wertung an, wie sie sich uns in diesem Moment präsentiert. Wir erfahren also die gegenwärtige Situation unserer direkten Umwelt, unseres Körpers und Gemüts, ohne dabei von wertenden Gedankenströmen, Erinnerungen, Phantasien und starken Emotionen abgelenkt zu werden. Dabei sei zu erwähnen, dass man solche Gedankenströme keinen Falls verdrängen und bekämpfen soll, da diese für das menschliche Bewusstsein unvermeidbar sind. Vielmehr akzeptiert man die verschiedenen Gedanken und lässt sie an sich „vorüberziehen“, ohne dass man weiter darauf eingeht. Man beobachtet seine eigenen Gedanken ohne Wertung und nimmt diese als eine sich fortlaufend ändernde Gegebenheit wahr.
Achtsamkeit und Resilienz
In Zeiten, die von inneren und äusseren Krisen geprägt sind, kann Achtsamkeit helfen, besser mit diesen umzugehen. Regelmässig praktizierte Achtsamkeit steigert unsere Resilienz. Resilienz bedeutet, dass wir besser auf innere und äussere Ressourcen zurückgreifen können, um mit schwierigen Situationen und Stress umzugehen, ohne dabei den Durchblick zu verlieren. Im besten Fall können wir Krisen sogar als Anlass für Entwicklung nutzen. Ganz einfach gesagt: wir verdrängen die Krisen nicht, wir wehren uns nicht dagegen, sondern wir nehmen diese an. Gleichzeitig lassen wir uns nicht von stark negativen Emotionen überfluten und können so eine innere Ruhe und einen klaren Blick bewahren. Das schafft Raum, so dass wir dann die richtigen Maßnahmen treffen können, um möglichst gut mit der Situation umzugehen und Lösungen zu finden. So wie das Schiff, das Sturm für Sturm der hohen See trotzt oder der Grashalm, der sich im Wind biegt und danach wieder in seine ursprüngliche Form zurückfindet.
Wie geht Achtsamkeit?
Achtsamkeit ist eine Art von Meditation, bei der man sich darauf konzentriert, sich intensiv dessen bewusst zu sein, was man im Moment fühlt, ohne Interpretation oder Beurteilung. Die Achtsamkeitspraxis beinhaltet Atemmethoden, geführte Bilder und andere Praktiken, die Körper und Geist entspannen und helfen, Stress abzubauen.
Es gibt viele einfache Möglichkeiten, Achtsamkeit zu praktizieren:
Sei aufmerksam. Es ist schwierig, in einer geschäftigen Welt «herunter zu fahren» und die Dinge zu bemerken. Versuche, dir die Zeit zu nehmen, deine Umgebung mit allen Sinnen zu erleben – Spüre, höre, schaue, rieche und schmecke was um dich herum passiert. Wenn du z. B. dein Lieblingsessen isst, nimm dir einmal die Zeit, es zu riechen, zu schmecken und wirklich zu geniessen.
Lebe den Augenblick. Versuche absichtlich eine offene, akzeptierende und differenzierte Aufmerksamkeit auf alles, was du tust, zu richten. Finde Freude an einfachen Vergnügungen.
Akzeptiere dich selbst. Behandle dich so, wie du einen guten Freund behandeln würdest.
Konzentriere dich auf deine Atmung. Wenn du negative Gedanken hast, versuche dich hinzusetzen, tief einzuatmen und die Augen zu schließen. Konzentriere dich auf deinen Atem, der durch deinen Körper ein- und ausfliesst. Sitzen und Atmen, auch nur für eine Minute, kann helfen.
Du kannst auch strukturierte Achtsamkeitsübungen ausprobieren:
Körperscan-Meditation. Lege dich mit locker gestreckten Beinen und seitlich ausgebreiteten Armen auf den Rücken, die Handflächen zeigen nach oben. Konzentriere deine Aufmerksamkeit langsam und bewusst auf jeden Teil deines Körpers, und zwar der Reihe nach, von den Zehen bis zum Kopf oder umgekehrt. Achte auf alle deine Empfindungen, Emotionen oder Gedanken, die mit jedem Teil deines Körpers verbunden sind.
Sitzende Meditation. Sitze bequem mit geradem Rücken, die Füße flach auf dem Boden und die Hände auf dem Schoß. Schliesse die Augen. Atme durch die Nase, konzentriere dich auf den Atem, der durch deinen Körper ein- und ausfliesst. Wenn körperliche Empfindungen oder Gedanken deine Meditation unterbrechen, kannst du das kurz wahrnehmen, um dich dann wieder auf deinen Atem zu konzentrieren. Du kannst deine Atemzüge zählen, z. B. immer von 1-10, oder du kannst jeden Atemzug einzeln erfassen.
Meditation im Gehen. Suche dir einen ruhigen Weg für einen Spaziergang mit einer bequem begehbaren Länge und begehe diesen langsam. Konzentriere dich auf die Erfahrung des Gehens, wobei du dir der Empfindungen des Stehens und der subtilen Bewegungen, die dein Gleichgewicht halten, bewusst bist. Konzentriere dich auch hier auf jeden einzelnen Atemzug. Nimm die Geräusche der Natur wahr. Rieche die frische Luft. Behalte deine Umgebung ohne zu stark zu fokussieren in deinem uneingeschränkten Blickfeld.
Fazit: Wie regelmässig sollte Achtsamkeit praktiziert werden?
Einfache Achtsamkeitsübungen können überall und jederzeit praktiziert werden. Gerade im Freien, unterwegs, kann man seine Sinne besonders gut aktivieren. Wichtig ist, dass man sich, wenn auch nur kurz, bewusst Zeit dafür nimmt. Für strukturiertere Achtsamkeitsübungen, wie z. B. Körperscan- oder Sitzmeditation, sollte man sich etwas mehr Zeit an einem ruhigen und ungestörten Ort nehmen können. Idealerweise findet man eine Zeit, die man täglich einhalten kann (z. B. am Morgen gleich nach dem Aufstehen).
Bemühe dich, etwa sechs Monate lang täglich Achtsamkeit zu üben. Mit der Zeit wirst du feststellen, wie mühelos und selbstverständlich Achtsamkeit wird. Betrachte es als eine Chance, dich wieder mit dir selbst in Verbindung zu setzen und dich zu pflegen. So stellt sich eine gewisse Routine ein und die Meditation wird zu einem unabdingbaren Teil für deine mentale «Hygiene».
Commentaires